Nachhaltiger Holzbau mit digitalem Herkunftsnachweis aus der Ostschweiz

Aussenansicht (©J2 Architekten)

Das junge Startup «Urstamm» sorgt für Transparenz in der Wald- und Holzwirtschaft. Die Applikation des Unternehmens ermöglicht die lückenlose, digitale Nachverfolgung des gefällten Baumstamms bis hin zum vollendeten Holzobjekt. Durch das zusätzliche Festhalten der Emissionen im gesamten Bauprozess setzt Urstamm ein Zeichen für Nachhaltigkeit im Baugewerbe und Förderung von regionalem Schweizer Holz.

Nachhaltigkeit gewinnt in immer mehr Bereichen unseres Lebens an Bedeutung. Autos werden elektrisch betrieben, Strom wird mit Photovoltaik-Anlagen gewonnen und regionale Bio-Produkte werden häufiger nachgefragt. Aber was ist mit Nachhaltigkeit im Baugewerbe? Neben der Energieeffizienz eines Gebäudes rücken zunehmend Aspekte zur Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien, Messung der verursachten grauen Energie im Bauprozess oder zu «Re-Use» im Zuge der Kreislaufwirtschaft in den Fokus der Aufmerksamkeit. Durch den nachhaltigen Rohstoff Holz und die zunehmende Digitalisierung spielt der Holzbau dabei eine Schlüsselrolle. Ein Instrument zur Erfassung der erforderlichen Daten hat das Appenzeller Start-up Urstamm lanciert.

Urstamm hat eine Applikation entwickelt, welche die gesamte Holzkette digitalisiert und Transparenz schafft. Jede gefällte Einheit Holz wird mit Standort und Zeitpunkt des Holzschlags gespeichert. Auf Wunsch der Kundschaft kommt auch ein Bild jedes gefällten Baumes hinzu. Die Daten gehen im Verarbeitungsprozess mit und ermöglichen eine lückenlose Rückverfolgbarkeit aller Herstellungsschritte, welche die Bauherrschaft nach Abschluss des Projekts jederzeit einsehen und teilen kann. Neben der benötigten Energie der einzelnen Verarbeitungsstufen können auf Wunsch zudem die Transportwege vollumfänglich berechnet werden. Damit werden die Grundlagen zur einheitlichen Berechnung der grauen Energie des verwendeten Bauholzes geschaffen.

Pilotprojekt 2 - Innenansicht (©J2 Architekten)

Urstamm hat bereits zwei Pilotprojekte durchgeführt. Eines der Projekte wurde vom Architekten Jonas Signer der J2 Architekten AG geplant und von Urstamm für den Nachweis der Holzherkunft begleitet. Bei diesem Projekt handelt es sich um ein Einfamilienhaus in Appenzell. Der filigrane Holzbau steht auf einem Sockelkörper aus Sichtbeton, was die Begegnung mit dem Haus beruhigt und den Eindruck entstehen lässt, dass der Holzbau in den Betonsockel eingeschoben ist. Die darauf aufbauende Fassade ist eine leichte, zweischichtige Fassadenlattung. Diese erzeugen eine Tiefe und ein Wechselspiel in der Erscheinung der Fassade. Die Fenster wurden stärker umrahmt, was den Effekt der Fassadenstruktur mehr in den Fokus rückt. Der Innenausbau des Hauses ist ganz in Holz eingeschalt. Dafür wurde ausnahmslos Weisstannen-Mondholz verwendet. Im Herzen des Wohnbereichs steht das Treppenhaus aus Weisstannenholz, welches sich ideal in die Raumgestaltung einbettet. Die Wohnräume sind hoch und lichtdurchflutet. Als zusätzlich spielerisches Element lässt sich die Geflechtsfassade hin zur Terrasse beweglich öffnen.

Der Bauherrschaft war früh klar, dass ihnen langfristige Nachhaltigkeit und Regionalität sehr wichtig sind, weshalb sie gemeinsam mit J2 Architekten nach umweltfreundlichen Möglichkeiten für den Holzbau gesucht haben. Gemäss Jonas Signer wird bei Projekten oft der Wunsch nach einheimischem Holz geäussert. Gegenüber den Handwerkern wird dies in der Ausschreibung kommuniziert. Allerdings kann eine Bauherrschaft die Prozesse der Lieferanten nicht immer genau nachvollziehen und sich entsprechend sicher sein, ob auch tatsächlich einheimisches Holz verbaut wird. Auf der Suche nach einer geeigneten Option für dieses Einfamilienhaus, sind Architekt und Bauherrschaft auf Urstamm gestossen.

Die Zusammenarbeit mit Urstamm beschreibt Jonas Signer als eine sehr wertvolle Erfahrung. Gemeinsam mit der Bauherrschaft, dem Förster und dem Sägewerk haben sie beispielsweise den Wald besucht, wo sie sich angeschaut haben, welche Bäume für das neue Haus gefällt werden. Dadurch wurde ein tiefgründigeres Verständnis für die Holzkette, aber auch ein emotionaler Wert gegenüber dem Rohstoff Holz geschaffen.  Die Anwendung von Urstamm und Nutzung von Schweizer Datumsholz ist für die Bauherrschaft zwar mit Mehrkosten verbunden und stellte für den Architekten einen Mehraufwand, insbesondere in der Projektplanung und Begleitung der Bauherrschaft, dar. Diese Mehraufwände werden jedoch mit dem Endresultat des digitalen Herkunftsnachweises und der Begeisterung der Besitzerfamilie mehr als vergütet. Neben dem ideellen Wert und Erlebnis der dokumentierten Holzkette gibt es einen weiteren zentralen Mehrwert für die Eigenheimbesitzer: Um den langfristigen Wiederverkaufswert eines Gebäudes zu sichern, sind neben der Architektur, dem Ausbaustandard oder der Energieeffizienz immer mehr Differenzierungs-merkmale gefordert. Mit Urstamm kann nun auch die Nachhaltigkeit nachvollziehbar belegt werden. Jonas Signer betont weiter, dass ein Eigenheim ein emotionales Projekt sei, welches man vermutlich nur einmal im Leben plant und umsetzt. Deswegen sollte der Fokus nicht nur auf rein ökonomische Aspekte gelegt werden, sondern im Zuge der gesetzten Schweizer Klimaziele zwingend auch auf ökologische – so wie die stolzen Besitzer des Eigenheims aus Datumsholz.


Mehr zum Projekt und die Einsicht der gesamten Holzkette ist hier zu finden: LINK

 

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